Von Ton zu Ton, Von Mensch zu Mensch - Wechselwirkungen und Beziehungen prägen den Lauf der Welt.
So wie auf menschlicher Ebene jede Begegnung ihre Wirkung hat, hat jeder Ton seine Bedeutung für den Verlauf der Musik.
Bei J.S. Bach muss dieses Gespür für die Bezüge der Töne aufeinander ganz besonders ausgeprägt gewesen sein. Wie keine andere vermag es seine Musik, den Eindruck zu vermitteln, als gäbe es keine gültigere, schönere Art, Töne miteinander zu setzen. Diese kompositorische Kraft und Genialität verleiht den Werken J.S. Bachs bis heute eine gottgleiche Stellung in der Musik. - Und eine starke friedenstiftende Wirkung.
Die Solo-Suiten werden oftmals auch als eine Art Vermächtnis diese äußerst produktiven Künstlers gesehen.
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Suite in G-Dur: Die erste Suite ist offenbar mit größerem zeitlichen Abstand vor den anderen entstanden. Sie lässt aber darum nicht weniger aufhorchen. Im Gegenteil: Das ganze Potential der Solo-Suiten-Idee ist schon zu ahnen. Es entsteht eine offene Grundstimmung, die mich an den Frühling erinnert: Die Grüntöne sind heller als gewöhnlich und die Vögel singen besonders intensiv. Es bricht die Kraft der Natur auf und öffnet einen neuen Weg. Genau wie die erste Helligkeit des Tages sind Frühlingsboten besonders verheißungsvoll. Im Praelude erschließt sich diese Stimmung in der perlenartigen Folge andauernder Sechzehntelketten. In den Tanzsätzen ist die Zartheit je nach Tanzart bzw regionaler Zugehörigkeit eingefärbt.
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Suite in d-moll: Kontrastierend zur ersten Suite kann man in der Zweiten Erstarrung und Kristallisation nachspühren. Gleichzeitig kann ich die Ausbildung mineralischer Wunderwerke vor Augen haben: Es bilden sich besonders ästhetische Kristallstrukturen. Die Genauigkeit einer Chemikalie wie Salz wirkt so verborgen wie unmittelbar existentiell. Die Sätze dieser Suite erklingen eher im Kalten, in der Erde oder in ein steinernen Gewölbe, als in einer aufbrechenden Frühlingslandschaft.
Suite in C-Dur: Bach hat seine Tonarten wohl kaum zufällig gewählt: in der C-Dur-Suite ist Wachheit, Gegenwärtigkeit, Nüchternheit und Offenheit im Spiel. Ich lasse alles hinter mir und bin ganz wach. Weder gehe ich aus mir heraus, noch schürfe ich im Inneren. Selbst wenn in der Sarabande besonders häufig die Spannung der Septim Verwendung findet, sind diese "Dissonanzen" bemerkenswert beiläufig in der Tanzform verpackt und wirken dadurch wie eine Rückbesinnung auf etwas Abgeschlossenes.
Suite in Es-Dur: Ich denke bei dieser Tonart an den Samen im Schoß von Mutter Erde: Es geht um die zarteste, empfindlichste und zugleich vitalste Form der Lebenskraft. Tiefste Tiefe ist erreicht, Dunkelheit und vorsichtiges Tasten bestimmen einersets den Klang. Andererseits greift Bach im Prälude zu großen Intervallsprüngen und erzeugt so eine gewisse Spannung: Das Erdengrab ist nicht Endpunkt, sondern Lebensbeginn. Die Kräfte im inneren des Samenkorns übersteigen jede Vorstellung. Größtmögliche Verletzlichkeit und maximales Potential verbergen sich so in einem Schutzraum. Auch die Sarabande verbindet diese Verletzlichkeit mit besonderer Spannung. Bei der Guige hingegen habe ich das Bild vom innersten Zellkern: Chromosomen und kleinste Spiralen der DNA-Doppelhelix tanzen lustig durcheinander.
Suite in c-moll: Zu allem Dunklen und Öden, das diese Tonart ausstrahlen mag, kommt bei dieser Suite eine bemerkenswerte Entwicklung von Kraft. - Gleichsam sich aufbäumend gegen die Fesseln der Materie. Im Zentrum der Suite steht die c-moll-Sarabande in ihrer genialen und einzigartigen Reduziertheit. Kein einziger gebrochener Akkord im herkömmlichen Sinne wird verwendet. Kompositorisch scheint in diesem Satz das Maximum an Schlichtheit und gleichzeitiger Tiefgründigkeit erreicht: Das Suiten-immanente Thema "Weniger ist mehr" ist hier auf die Spitze getrieben. Der Satz sticht besonders aus den Suiten und aus Bachs Schaffen heraus. Außerdem ist die Stimmung des Violoncellos verändert: Die A-Saite wird auf G heruntergestimmt.
Suite in D-Dur: Ich denke hier an den Siegeszug der Technik und des menschlichen Verstandes: kraftvoll, genießend, in sieghafter Klarheit. Wir befinden uns auf dem Gipfel der Entwicklung, am Höhepunkt des Fortschritts. Durch die Verwendung einer zusätzlichen Saite geht Bach auch technisch an die Grenzen des Instruments bzw darüber hinaus (Fünfsaiter, Violoncello piccolo etc.). Diese Virtuosität ist besonders im Prälude spührbar. Die Sarabande verlangt im Kontrast zu der c-moll- Sarabande das Maximum an akkordischem Spiel. Das Cello beginnt sozusagen zu denken wie ein Tasteninstrument und andersherum: Die Gleichzeitigkeit von Polyphonie UND Stimmführung wird im Gewand eines Instrumentes erlebbar, das im Gegensatz zum Tasteninstrument in der Lage ist, den einzelnen Klang in sich zu modellieren.
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